Zum 13. Mal jährte sich im August bereits das M'era Luna-Festival und mittendrin unsere Reporterin Corinna Würzberger:
Eigentlich dachte ich immer, dass ich kein Rhythmusgefühl habe. Mein Musiklehrer wird das gerne bestätigen, schließlich hat er mir einst eine läppische 3 für mein Schlagzeugvorspiel verpasst. Jetzt sitze ich hier auf der Runway des Hildesheimer Flugplatzes, eine halbvolle 5,0er Dose neben mir auf dem Boden, zwei auseinandergebrochene Zeltstangen wie Drumsticks in beiden Händen. Und obwohl ich gerade den Sprechchor "M'eeeera Luuuuuna" angestimmt habe, der genauso enthusiastisch und mehrstimmig von mir völlig fremden Menschen beantwortet wird, halte ich den Grundrhythmus, den ich mit den Stangen schlage, sehr souverän durch. Hach, wenn das jetzt Herr Kleinschmidt sehen könnte....
Ja, das ist also das M'era Luna. Das etwas andere Festival eben. Süße 25.000 Besucher zählt es insgesamt und so bekommen wir auch noch einen Zeltplatz keine fünf Minuten vom Festivalgelände entfernt, obwohl wir erst bei Dunkelheit ankommen. Auf diese Weise können wir die ersten Auftritte ganz entspannt bei Kaffee und Fertignudeln auf dem Gaskocher im Campingstuhl und bei glasklarem Sound genießen.
Das M'era Luna ist wohl auch das einzige Festival, bei dem die Besucher mit Rollkoffer und Beautycase anreisen. Denn Styling ist hier alles – und das nimmt oft Stunden in Anspruch. Es lohnt sich dann aber auch und gehört einfach zum Festivalfeeling dazu. Auch ich habe mich herausgeputzt und extra dunkelblauen Tüll – passend zu meinen dunkelblauen Haarsträhnen – an mein schwarzes Kleid genäht. Mithalten kann ich damit bei den anderen sehr extravaganten (und mutmaßlich schweineteuren) Barockroben, (Cyber)Goth- oder sexy Dominaoutfits trotzdem bei Weitem nicht. Dafür fühle ich mich bei all den weiß geschminkten Gesichtern in der Menge zur Abwechslung endlich einmal richtig schön sonnengebräunt. Man kann eben nicht alles haben!
Auch das Programm ist vielfältiger als bei anderen Festivals: Es gibt Lesungen und Modenschauen, einen liebevoll eingerichteten Mittelaltermarkt mit Feuershow sowie Einkaufsmöglichkeiten für alles, was das Gothic- oder Mittelalterherz höher schlagen lässt.
Und auch die Bands haben sich einiges einfallen lassen. So holt Mono Inc. beispielsweise den legendären, aber auch polarisierenden Joachim Witt auf die Bühne und Frontmann Martin Engler singt mit ihm das Duett "Kein Weg zu weit" samt Kinderchor. Deine Lakaien sind für die sehnsüchtig auf asp wartende Menge leider etwas zu ruhig und experimentell. Dabei finde ich deren musikalische Leistung einfach super. Ernst Horn bespielt sein Instrument auf eine Art und Weise und vor allem mit einer Geschwindigkeit, die ihm und dem Publikum den Atem raubt. Zwischendurch haut er einfach mit der bloßen Hand in das Innenleben des schwarzen Flügels und spielt die Töne doch immer noch erstaunlich sauber. Die melancholisch tiefe Stimme von Alexander Veljanov hält das Ganze zusammen und versetzt mich in einen wohligen, nachdenklichen Dämmerzustand, der die Gedanken klärt.
Und dann der heißbegehrte heimliche Headliner des Abends: Ich muss gestehen, dass ich vorher so meine Vorurteile hatte, aber mit dem super sympathischen Frontmann und ihrer Show haben mich asp auf jeden Fall überzeugt. Mit den Stichflammen, die es in den vorderen Reihen noch etwas heißer werden lassen, den Herzstillstand verdächtigen Feuerwerksknallern, dem Funkenregen und dem Schnee aus Seifenschaum für "Und wir tanzten (im Schnee)", machen sie Rammstein locker Konkurrenz. Beim gleichen Lied organisiert der Fanclub mehrere hundert Wunderkerzen, die dann im vorderen Bühnenbereich geschwenkt werden. Klasse Show! Auch ohne viel Kenntnis über die Songs wurde ich mitgenommen und asp haben jetzt definitiv einen Fan mehr. Besonders eindrucksvoll fand ich, als Ally mit bodenlangen blonden Haaren und ihrer Geige auf die Bühne kam, um die Band zu unterstützen. Krönender Abschluss des Festivals bildeten Nightwish, die mit neuer Sängerin auftraten und einen phänomenalen Auftritt ablieferten.
Punkt 22 Uhr, nach nur zwei Tagen Festival soll der schwarze Zauber auch schon wieder vorbei sein? Doch das ist den eingefleischten Luna-Fans eindeutig zu wenig, weshalb sie sich alljährlich Sonntagnacht auf besagter Runway mit leeren Plastikflaschen, Dosen und Stangen zum musikalischen Protest treffen. Gestartet hat es dieses Jahr mit fünf engagierten Stimmungsmachern. Am Höhepunkt sind es dann sicherlich an die hundert motivierte Trommler, Sänger und Tänzer, die ausgelassen das Festival ausklingen lassen. Und SdR mittendrin. (cw)